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Warum eine Vollverschleierung verboten werden sollte

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Nein, ich bin kein Jurist. Deswegen will ich mich auch nicht vorrangig zu diesem Aspekt äußern, obwohl man sicher nicht darum herum kommt. Recht ausführlich hat das bereits der juristische Dienst des Bundestages getan, dessen Gutachten kann man hier nachlesen.

Dieses unangenehme Bauchgefühl

Sie haben kein unangenehmes Gefühl, wenn Sie einen Menschen mit Burka sehen? Also, jenseits klüglerischer Feinsinnigkeiten, eine Frau die komplett verschleiert ist? Dann herzlichen Glückwunsch. Ich aber habe eines. Kein sehr großes bisher, denn ich konnte Trägerinnen als Gäste identifizieren, als Begleitung irgendeines Scheichs, der meine Stadt besucht und seine Sitten und Gebräuche sicher nicht ändern muss. Als etwas Vorübergehendes.

Dieses Gefühl habe ich beinah immer, wenn ich Berührung habe mit Menschen die sich verdecken und verstecken. Bei Typen mit verspiegelten Sonnenbrillen. Bei Leuten, die den Motorradhelm nicht absetzen. Bei den Feiglingen, die sich unsterblich wähnen. Vermutlich ist dieses Gefühl ganz natürlich, rührt aus der Furcht vor dem nicht Erkennbaren her und ermöglicht erst das Spiel der sich Versteckenden damit auf der anderen Seite. Schreiben Sie mal „scream“ in eine Internetsuchmaschine und schauen Sie die Bilder an. In diesem Fall wird dem versteckten Gesicht noch eine diese Furcht steigernde optische Gestalt gegeben.

Aber klar ist auch: Nur weil mir etwas unangenehme Gefühle macht kann es nicht verboten werden. Das ist alles in einem Bereich der öffentlichen Diskussion und des gegenseitigen Aushaltens. Verhalten erzeugt Reaktion. Gegenseitig. Und alle müssen damit leben.

Der beleidigende Aspekt

Kleidung ist Kommunikation. Man kann eine einfache Denkübung machen. Stellen Sie sich vor, Die Aussagen der Kleidung würden als Texte auf T-Shirts stehen. Die gedeckte Kleidung bei einem Begräbnis würde vielleicht lauten „Ich trauere mit Euch, ihr nahen Angehörigen des Toten.“; Arbeitskleidung würde mit „Ich habe zu tun!“ ganz simpel übersetzt, der gut sitzende Herrenanzug im Grau der Saison (das wechselt tatsächlich) heisst: „Ich weiss was sich gehört, kann es mir leisten und sehe auch, ob ihr überhaupt in der Lage seid das zu erkennen“.

Diese Denkübung vereinfacht natürlich, sie versucht das komplexe nonverbaler Kommunikation zu vereinfachen auf die viel weniger komplexe Ebene der verbalen Kommunikation. Dennoch aber lehrreich: denn die Freiheit, sich so kleiden zu können wie man will ist nicht zu trennen von der Wirkung, die man, gewollt oder ungewollt, bewusst oder unbewusst, mit seiner ausgewählten Kleidung erzielt.

Was also wäre der verbale Text, der für eine (freiwiilig gewählte!) Ganzkörperburka stünde? „Ich möchte nicht, dass ihr mich anschaut“. Wenn mir jemand im normalen Leben sagen würde, er wolle von mir nicht angeschaut werden so würde mich dies fast ausnahmslos grob beleidigen. Warum sollte das, nonverbal ausgedrückt, anders sein?

Die politisch-religiöse Komponente

Schön zusammengefasst findet man hier eine Beschreibung der Verhältnisse von Staat und Religion in islamischen Gesellschaften. Vereinfacht gesagt nimmt die aus religiöser Sicht behauptete Identität von Staat und Religion zu, je fundamentalistischer die einzelne religiöse Strömung ist. Damit muss man konstatieren, dass diese fundamentalistischen Strömungen nicht nur religiöse, sondern eben auch politische Gruppierungen sind. Im ganz oben verlinkten Gutachten des Bundestages wird der Vollverschleierung nur eine rein religiöse Komponente zugerechnet. Was aber, wenn wir in der Vollverschleierung auch eine politische Manifestation sehen?

Wäre eine Gesellschaft, die nach dem Muster fundamentalistischer islamischer Gruppierungen aufgebaut wäre, denn grundgesetzkonform? Wäre eine politische Partei, die die Gesellschaft in Richtung dieser Gesellschaftsvorstellungen umbauen wöllte, nicht zu verbieten?

Als wichtige Anmerkung will ich hier anfügen, dass Gleiches auch über fundamentalistische christliche Strömungen gesagt werden könnte. Allerdings ist mir im Moment nicht geläufig, ob diese Gruppen über Bekleidungsvorschriften eine ähnlich starke Manifestation ausüben könnten wie die islamischen Fundamentalisten über die Vollverschleierung.

Wenn man also neben dem Aspekt der Religionsfreiheit der Burka auch zumisst, dass sie eine politische Manifestation grundgesetzwidriger Ziele ist, dann ist ein Verbot der Ganzkörperverschleierung fast folgerichtig.

 

Gegenargumente

Nun, ich habe bisher schon einige Gegenargumente gehört, die ich hier erwähnen will.

Einige meinen, der Staat oder auch die Gesellschaft dürfe sich grundsätzlich nicht so weit in die Freiheit des Einzelnen einmischen, dass Bekleidungsvorschriften gemacht würden. Dagegen ist zu sagen, dass der Staat die bereits tut, indem an bestimmten Stellen Bekleidung verboten ist. Hier sei auf das Verbot in Paragraph 132a Stgb verwiesen, unbefugt Amtskleidung zu tragen, verwiesen. Auch der Verzicht auf Kleidung ist an vielen Stellen ordnungswidrig oder verboten. Gesellschaftlich gibt es noch viel mehr „Verbote“, deren Übertretung mit sozialer Verachtung in bestimmten Gruppen bestraft wird. Beispielhaft seien das Tragen von als rechts identifizierten Bekleidungsmarken oder das Tragen von Echtpelz genannt.

Ein weiteres Argument ist natürlich dass der freien Religionsausübung, mit diesem habe ich mich oben bereits beschäftigt.

Schwerwiegend ist natürlich das Argument, Frauen würden oft gezwungen Burka zu tragen und deren Lage würde sich durch ein Verbot enorm verschlechtern. Aber es kann mich nicht überzeugen. In einem solchen Fall liegt bereits ein schwerer Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frau vor, und den zu dulden um Schlimmerem vorzubeugen bedeutet, dass man die Würde der betroffenen Frauen als berührbar akzeptiert.

Ich erwarte natürlich, dass es eine Reihe weiterer Gegenargumente geben wird und würde mich freuen, einige hier als Kommentar lesen zu können um darauf einzugehen. Für mich jedenfalls steht im Moment fest, dass das hinter den Burkas, egal ob sie freiwillig oder unfreiwillig getragen werden, ein politisches Programm des gesellschaftlichen Rückschritts steht und dass diesem auch mit einem Verbot entgegengetreten werden sollte.

 

 

14 Kommentare

  1. Hier mal ein Beispiel, wo das Recht auf Religionsfreiheit gegenüber anderen öffentlichen Interessen hintan gestellt wurde. Die Schweiz zeigt wie’s geht:

    http://www.tagesschau.de/ausland/schweiz-schule-handschlag-muslime-101.html

    Falls der Artikel irgendwann verschwindet, sei hier der Inhalt ganz kurz angedeutet: Es ging um zwei Schüler, die den in der Schweiz üblichen Handschlag mit der Lehrerin verweigerten und dies religiös begründeten. (Der Vater ist Imam.) Die Schulbehörde bezog dazu Stellung: Das öffentliche Interesse bezüglich der Gleichstellung von Mann und Frau sowie die Integration von Ausländern überwiege die Glaubensfreiheit „erheblich“, begründete die Schulbehörde ihre Entscheidung.

    Und das ist leider nur ein Beispiel, dass zeigt, dass ein streng ausgelegter Islam (wie auch andere konservativ gelebte Religionen) nicht zur westlichen Wertewelt passen. Die Hoffnung, die ja bei vielen Linken mitschwingt, dass sich bei genügendem Toleranz-Kredit seitens der Mehrheitsgesellschaft diese radikalen Tendenzen auflösen, halte ich für illusorisch und letztlich rassistisch. Man spricht damit den Anhängern anderer Religionen die Fähigkeit ab, ein normales quit-pro-quo-Verhalten einzuhalten. Ich komme ein Stück auf dich zu, du ein Stück auf auf mich. Wenn dir das deine Auslegung deiner Religion verbietet, ist dies mit EIN Grund für den wachsenden Argwohn zwischen den Kulturen. Vergleicht man die Stellung der Moslems hier mit der Stellung der Christen im Nahen Osten, ist es an der Zeit, uns mal selbst Respekt für unsere weltoffene Kultur zu zollen. Nun könnte die andere Seite sich mal ein Stück öffnen. Das Gegenteil scheint gerade der Fall zu sein.

  2. Ich frage mich bei dieser und ähnlichen Diskursen immer, wie die Fraktion der alternativlos Toleranten ihre Perspektive der religiösen Toleranz mit der, an anderer Stelle häufig eingeforderten genderspezifisch-emanzipatorischen Haltung vereinbaren kann. Und ich frage das nicht retorisch, ich wäe da wirklich auf die Argumentation gespannt. Haltet ihr ein Recht auf freie Religionsausübung, welches aktuell alle möglichen Praxen aller möglichen Religionen umfasst, ob diese nun in den jeweiligen heiligen Schriften vorkommen oder nicht, ob sie mit anderen Grund- oder Menschenrechten in Konflikt stehen oder nicht (siehe auch Beschneidung von Knaben) ernsthaft für ethisch höher stehend und verbindlicher, als z.B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit oder in diesem Fall die Gleichberechtigung von Mann und Frau?
    Meiner Meinung nach kann es nur so sein: es gibt nicht DAS Recht auf allumfassende, freie Religionsausübung, sondern jede sakrale Handlung ist auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hin zu überprüfen. Die Burka ist ein archaisch-patriarchales Machtinstrument, dass dazu dient, im muslimischen Alltag die Unterordnung der Frau unter den Mann aufrecht zu halten und täglich neu zu rekonstruieren. (vgl. Alice Schwarzer)
    Das Recht auf freie Religionsausübung ist für mich in Wirklichkeit ein ganzer Sack von Rechten, dessen Inhalte mal ausgeschüttet und unter die grundgesetzliche Lupe genommen gehören. Wir sollten unsere Vorstellung von der Priorität verschiedener Grundrechte, wenn diese sich ins Gehege kommen, mal auf einen aktuellen Stand bringen.

    • > „Haltet ihr ein Recht auf freie Religionsausübung [..] ernsthaft für ethisch höher stehend und verbindlicher, als z.B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit oder in diesem Fall die Gleichberechtigung von Mann und Frau?“

      Du implizierst dass dies hier diametral entgegen stehende Punkte wären, die sich nicht vereinen lassen können. Dem ist aber halt nicht so.
      Ich sehe durchaus dass Vollverschleierung als soziales Konzept deutlich Frauen benachteiligt. Jetzt speziell aber ein weiteres Verbot (bestimmte Kleidung zu tragen) an jene Frauen auszusprechen halte ich da für die Gleichberechtigung nicht im geringsten förderlich.

      Und körperliche Unversehrtheit hat damit mal so überhaupt nichts zu tun.

      > (vgl. Alice Schwarzer)

      rly?

      > dessen Inhalte mal ausgeschüttet und unter die grundgesetzliche Lupe genommen gehören

      ja dann aber bitte generell – also inkl. kath. Religionsunterricht, Kreuzen im Klassenzimmer und ähnlichem Blödsinn. Ich bin total für Religionsfreiheit (am liebsten in der Bedeutung „frei von Religion“), aber immer auf dem einen Verein für Idiotie rum zu hacken, während ein halbes Dutzend anderer Vereine gesetzlich noch bevorteilt und subventioniert wird, ist nicht zielführend und widerspricht dem Neutralitätsgebot dem unser Staat unterliegen sollte

      • Und schon zeichnet sich für mich ein gemeinsamer Nenner ab. Wir müssen nur wollen.

        Für ein Verbot sehe ich aber an sich keine Alternative. Eine Bitte zur Selbstverpflichtung wird da nicht ausreichen. Dazu ist diese Praxis kulturell zu tief verankert. Und nur weil ein als ungerecht erkannter Sachverhalt erstmal unkontrollierbar scheint, sollte man auf dessen Verbot nicht verzichten. Siehe Gewalt an Kindern. Die klassische Backpfeife für den „Rotzlöffel“ daheim ist seit kurzem strafbar. Das wird erstmal nichts daran ändern, dass sie weiter verteilt wird, aber es ist ein erster Schritt in dem Bestreben, die Praxis der Züchtigung gesellschaftlich zu ächten. Erst, wenn das Normative der Handlung gesellschaftlich durchbrochen wird, besteht die Chance auf eine Veränderung des Verhaltens.

        Du spielst sicher auf die allgemein befürchtete gesellschaftliche Ausgrenzung der Frauen an, die so ein Verbot auslösen könnte. Das könnte tatsächlich passieren, wird aber nur wenige betreffen. Es gibt ja immer noch den Hijab, der für viele Muslima prima funktioniert. Andererseits würde ein Ausbleiben des Verbots die Praxis der Vollverschleierung als staatlich akzeptierte und gesellschaftlich normierte Form der sozialen Isolation von Frauen erscheinen lassen. Was ist wichtiger? Im Zweifel entscheide ich mich hier für das grundsätzlich richtige, nicht das situativ opportune.

        Oder mal polemisch formuliert: Wenn ich meine Religion so auslege, dass ich meine Frau, nicht nur sprichwörtlich, an der kurzen Leine führe, wäre dann von einem Leinenverbot für Frauen abzusehen, weil ja sonst meine Frau gar nicht mehr raus dürfte? Ich denke, irgendwo gibt es Grenzen und ich bin dagegen, dass jeder seine eigenen festlegt. Für Dich ist die Grenze noch nicht bei der Vollverschleierung erreicht, aber sicher beim Leinenzwang. (Oder auch nicht. Alles schon gesehen in Dresden.) Zumindest wäre es sicher für die meisten, die gegen eine Burkaverbot sind, ein Grenze. Und daran sehen wir doch, dass es nicht ums Prinzip gehen kann, sondern um das subjektive Gefühl davon, wo eine solche Grenze zu ziehen wäre. Und das lässt sich, solange es im Rahmen des Grundgesetzes bleibt, am besten auf Grundlage einer Mehrheitsentscheidung feststellen. Und die Mehrheit ist in Europa eindeutig für ein Burkaverbot:

        http://de.statista.com/statistik/daten/studie/151204/umfrage/einstellung-zu-einem-verbot-der-burka/

        Übrigens: Muslime überall in der Welt lehnen lehnen durch die Bank die Burka ab, außer natürlich in Saudi Arabien:

        http://www.focus.de/politik/ausland/umfrage-in-sieben-laendern-was-duerfen-frauen-tragen-so-denken-muslime-wirklich-ueber-kopftuecher_id_3526685.html

        Sollte man das die Frauen selbst entscheiden lassen? Nein. Bei der Beschneidung von Mädchen führen ausschließlich deren Mütter, Großmütter und Tanten die Klinge und sind die treibende Kraft hinter der Aufrechterhaltung dieses Brauchtums. Eine gesellschaftliche Praxis wird von Menschen, die ihre Kraft und Lebenszeit darin investiert haben, grundsätzlich eher aufrecht erhalten als hinterfragt. Deshalb kommen Veränderungen auch immer von außen oder von der nächsten Generation.

        ————–

        Zu Alice Schwarzer: ja, wirklich! Sie hat sich dazu in letzter Zeit öfter zu Wort gemeldet, unter anderem in 2 Talkshows. Weiß nicht mehr genau, welche, aber eine war mit einem anderen Gast, dem so genannten „Richter Gnadenlos“, Jugendrichter aus Berlin. Guckst du Youtube.

        Mit dem Punkt „körperliche Unversehrtheit“, die ja auch auf dem Alter der Religionsfreiheit geopfert wurde, bezog ich mich auf die Beschneidung von kleinen Jungen. Ist wohl übler, als man gemeinhin denken mag. Laut Studien erleiden die Babies einen Schock, der z.B. die Bindung zur Mutter schädigt. Dazu hat Tilo sich ja auf dieser Seite auch schon geäußert. Aber das ist ein anderes Thema.

  3. Sehr geehrter Herr Azrael Tod,
    Sie betreiben hier wohl Ihrem Namen gemäß, den ich mal religionswissenschaftlich jetzt nicht weiter erkläre, bewusste Umkehrung von Werten. Wie kann Jemand, der eine vorhandene Entität „a“ ablehnt, weil diese seiner Meinung nach als Symbol für eine die Grundrechte (die wir mal einfach „b“ nennen) gefährdende Entität „c“ steht, denn gegen die Entität „b“ selbst verstoßen. Also dass müssen Sie mir mal in formaler Logik „beweisen“.
    Ich entnehmen Ihrem, ich kann es nicht anders bezeichnen, Geschreibsel lediglich zwei Dinge: Sie kennen weder die Grundrechte richtig (und schon gar nicht den staatstheoretischen und juristischen Kontext, aus dem diese her kommen), noch sind Sie in der Lage treffende Analogien herzustellen.
    Wenn Sie denn schon durch logischen Umkehrschluss beweisen wollen, dass die Burka nur ein Kleidungsstück ist, dann müssten Sie zumindest ein „Kleidungsstück“ finden, dass einen ähnlichen Kontext hat. Also nicht „Schlips“ oder „Krawatte“, die eben allgemein getragen werden, während die Burka eben kein allgemein getragenes Kleidungsstück ist (jedenfalls Nirgendwo außer in Saudi-Arabien). Sondern zum Beispiel das Kopftuch oder ein FDJ-Hemd, eine SA-Uniform oder wenigsten eine nur speziell für SPD-Politiker angefertigte Edition von Armani-Anzügen.
    Ich kann Ihnen aber durchaus zugestehen, dass ihr Geschreibe völlig legal ist. Denn gegen semantische Dummheit, wie auch Ignoranz gibt es keine Gesetze.
    Mit freundlichen Grüßen.

  4. Die Burka ist nicht nur ein Kleidungsstück, sie vor allem ein Symbol. Nicht nur in Deutschland, nicht nur in Europa, sondern auch in der islamischen Welt selbst.

    Eine Studie des PEW Research Centers brachte zutage, dass in den meisten islamischen Ländern weniger als 10% der Frauen eine Vollverschleierung tragen bzw. freiwillig tragen würden. „Standard“ ist ein weißes Kopftuch, dass aber das Gesicht komplett frei lässt. Nur in Pakistan und Saudi-Arabien halten 35% bzw. über 70% der Befragten eine Vollverschleierung als die für Frauen „angemessene“ Bekleidung. Die geringsten Zustimmungswerte verzeichnen Tunesien, Türkei und Libanon. Es lässt sich eine klarer Zusammenhang zwischen Grad politischer und individueller Freiheiten und Bejahung der Vollverschleierung feststellen: je politisch konservativer, desto höher die Vollverschleierung, je liberaler das Land, desto geringer die Akzeptanz der Vollverschleierung. [1]

    Was logisch ist. Auch in der islamischen Welt haben sich seit Mitte des 19. Jh. in Folge von Kolonisierung oder intensiven Handelskontakten mit der westlichen Welt europäische Ideen verbreitet. Die wichtigste dieser Ideen ist die Idee individueller Grundrechte und davon abgeleitet universaler Menschenrechte. Beide sind das vorläufige Ende einer vor über 2600 Jahren von den alten Griechen begründeten Traditionslinie, ohne die weder die Abschaffung der Sklaverei noch die Errichtung von republikanischen Staatswesen oder Demokratien möglich gewesen wäre. Das bis heute gültige Fundament dieser in der Menschheitsgeschichte einmaligen Erfolgsgeschichte ist die simple Tatsache, dass sich „Untertanen“ selbst zu „Bürgern“ erhoben haben.
    Ein Untertan ist nur ein passives Objekt obrigkeitsstaatlichen Handelns. Ein Bürger hingegen partizipiert an der Gestaltung seines Gemeinwesens, er ist ein aktives Subjekt, dass sich in vielerlei Hinsicht engagiert, einmischt und wenn nötig auch revoltiert, um seine Interessen zu wahren. Damit dies geschehen kann, benötigen Bürger eine Raum, in dem sie sich treffen und austauschen können: den sog. „öffentlichen Raum“. Foren, Marktplätze, Rathäuser, Theater, Stadien, Agoren, Bäder – dies alles waren und sind teilweise bis heute die Orte, an denen sich die Bürger trafen, um sich auszutauschen. Eine europäische Stadt selbst im „finstersten Mittelalter“ hatte IMMER solche öffentlichen Orte.

    Das Grundverständnis, wie Gemeinschaft gebildet wird und funktioniert, ist im Islam ein völlig verschiedenes. Der Islam kennt keine Bürger, die in komplexen Verfahrensweisen Meinungen bilden und – um den inneren Frieden zu wahren – auch die Positionen von Minderheiten mit berücksichtigen. Er kennt auch nicht das Band, das die Bürger über alle Meinungsdifferenzen mit ihrer politischen Gemeinschaft (polis, Hansestadt, Stadtstaat, Republik usw.) verbindet und für den sie bereit sind zu kämpfen und wenn nötig zu sterben, weil sie sich als ein Teil dieses politischen Gebildes verstehen und daher, indem sie für ihn kämpfen auch für ihre eigenen Rechte kämpfen.
    Islam bedeutet „Unterwerfung“ unter Gottes Willen. Der Islam kennt keine Bürger, nur Untertanen. Und in der gesamten islamischen Geschichte hat es keine Bürger gegeben. Deswegen kennen islamische Städte auch keine Rathäuser, öffentliche Foren und all die anderen Orte, an denen Bürger sich zum Austausch treffen. Lediglich öffentliche Bäder wurden in den eroberten Städten beibehalten, alle anderen öffentlichen Gebäude verfielen. Einige Jahrhunderte erblühte die islamische Kultur, weil sie in den Besitz der großen technischen und kulturellen Errungenschaften der Antike gekommen war, diese teilweise sogar weiter entwickelte. Aber ohne Bürger erlosch bald diese Flamme und alle Versuche, die großen Metropolen der Antike nachzuahmen (wie etwa die Stadtgründungen Kairo und Bagdad) verfielen zu bloßen, wenn auch riesigen, Agglomerationen.
    An Stelle einer heterogenen Bürgerschaft kennt der Islam nur die homogene „Gemeinschaft der Gläubigen“ – und alle die, die nicht dazu gehören. Diese sind bestenfalls Untertanen zweiter Klasse oder völlig rechtlos. Dies betrifft traditionell auch die Frauen, die zwar immerhin zur „umma“ gehören und so – in getrennten Räumen – auch Zutritt zur Moschee haben, aber sonst weitgehend rechtlos waren. Es ist oft die Rede davon, dass die Frauen im Islam mehr Rechte hatten, als die Frauen im „christlichen Europa“. Für eine kurze Zeit des Frühmittelalters stimmte das auch. Aber mit dem Hochmittelalter (ab 1200) änderte sich die Situation: es gab nicht nur Königinnen und Kaiserinnen, sondern auch Frauen, die nach dem Tod ihres Mannes dessen Geschäfte weiterführten.
    Im Islam gab es all dies nicht. Die von Muhammad zu seiner Zeit (7. Jh.) recht progressiven Bestimmungen wurden immer enger und frauenfeindlicher ausgelegt und Frauen wurde da facto zum BESITZ ihrer Männer. [2] Und so ist es in traditionellen muslimischen Familien bis heute: ein Mädchen ist weniger „wert“ als ein Junge, die Familienehre wird v.a. durch „Fehltritte“ der Töchter beschmutzt, und Ehrenmorde, um die Familienehre zu retten, fordern viel mehr Frauen als Männer zum Opfer.

    Wieso nun dieser lange Exkurs? Um ganz klar zu machen, aus welcher Traditionslinie die Burka, also Vollverschleierung, kommt: aus einer mehr als 1000jährigen Tradition der Unterdrückung von Frauen aber auch von „Ungläubigen“. Kein Wunder also, dass die Burka v.a. in Ländern verbreitet ist, die in diesem Sinne besonders „rückständig“ sind: Saudi-Arabien, das z.B. bis heute regelmäßig die Todesstrafe wegen „Beleidigung des Propheten“ oder „Abfall vom Islam“ praktiziert; Pakistan, in dem insbesonderen zum Christentum übertretenden Ex-Muslime als Sklaven gehalten werden; Sudan, dass in den letzten Jahrzehnten bis zu 100.000 Christen aus dem Süden als Sklaven raubte [3].

    Wenn die Grundlage unserer Kultur – und damit auch unser aller Freiheitsrechte! – der öffentliche Diskurs der Bürger ist, dann verträgt sich die Burka damit überhaupt nicht. Denn im Diskurs muss ich dem anderen ins Gesicht sehen, um zu wissen, wer welche Meinung vertritt. Gesicht macht Identität. Die Burka macht aus Individuen anonyme Untertanen. Und genau deswegen ist sie ein Symbol für einen politischen Islam, der mit unseren Grundwerten nicht vereinbar ist. Zudem grenzt die Burka die Frauen aus, verhindert Kommunikation und Bildung von Gemeinschaft mit Nicht-Muslimen.

    Der berühmte Führer des algerischen Unabhängigkeitskrieges Ahmad Ben Balls ließ in einem Interview 1982, in dem es um das Palästina-Problem ging, einige Sätze fallen, die für die Denkstruktur und Traditionslinien, für die auch die Burka steht (hier konkret die Djihad-Ideologie) sehr aufschlussreich sind. Er sagte:

    „Was wir Araber wollen, das ist sein [etre]. Aber wir können nur sein, wenn der andere nicht ist“
    Weder Stalin noch Hitler noch Mao haben den Anspruch des Totalitarismus so prägnant formuliert: Israel ist der „Andere“: und der „Andere“ schließt das eigene Sein aus. Israel vertritt jedweden „Anderen“; es repräsentiert jegliches „Andere, das dem islamischen Djihad entgegensteht. Die logische Konsequenz hat Ben Balla uns nicht vorenthalten: Wenn der „Andere“ ein Hindernis für das eigene Sein ist, dann ist die totale Vernichtung angesagt: „Wenn es keine andere Lösung gibt, dann soll es zum Atomkrieg kommen, und das wird das Ende sein, ein für allemal“. [4]

    Die Burka steht für eine religiöse Ideologie mit politischem Anspruch und absolutem Wahrheitsmonopol. Eine solche Ideologie wird gemeinhin „totalitär“ genannt. Wir kennen in Deutschland noch eine andere totalitäre Ideologie, deren Symbole und Kleidung verboten ist: den Nationalsozialismus. Der einzige Unterschied zwischen diesem und einem als „Islamofaschismus“ zu bezeichenden Scharia-Islam ist nur der, dass die Nazis ihren Weltkrieg und Völkermord bereits in die Geschichtsbücher geschrieben haben, während die Vordenker des militanten Islamismus bisher nur davon reden und schreiben bis zu 500 Millionen Nicht-Muslime zu ermorden. [5] Das dies keine leeren Drohungen sind, kann man überall dort erkennen, wo die Anhänger dieses „Lesart“ des Islams aktiv sind: sei es Boko Haram in Nigeria, al-quaida, der IS, die islamischen Reiterhorden des Sudan oder die Taliban in Afghanistan und Pakistan. Und ein Blick auf die Islamische Geschichte zeigt leider, das Ähnliches schon öfter Praktiziert wurde [6]

    Und weil die Burka ein Symbol genau dieses verbrecherischen Islamofaschismus ist, gehört sie bei uns verboten.
    Wer aus falsch verstandener Toleranz, Ignoranz oder einem verklärtem „Islambild“ das nicht verstehen kann oder will, der sägt an dem Ast seiner eigenen Grundrechte, auf dem er sitzt.

    [1] Quelle: http://www.focus.de/politik/ausland/umfrage-in-sieben-laendern-was-duerfen-frauen-tragen-so-denken-muslime-wirklich-ueber-kopftuecher_id_3526685.html
    [2] Die Geschichte von Sheherazade veranschaulicht das recht deutlich: der König lässt nach jeder Nacht seine Frau köpfen, damit diese ihm nicht untreu werden kann. Und bis heute werden Frauen bei Ehebruch deutlich härter als Männer bestraft, in vielen Ländern noch mit Steinigung, während Männer mit leichten Strafen oder gar straffrei davon kommen.
    [3] Nur ein recht aktuelles Beispiel: https://koptisch.wordpress.com/2010/07/24/im-nordsudan-werden-heute-noch-mehrere-zehntausend-sklaven-festgehalten/
    [4] Egon Flaig, Gegen den Strom, für eine säkulare Republik Europa, 2013, Springe, S. 90f. Zitat von Ben Balle aus: A. Ben Balla, Tous contre Israel (interview mit A. Soussan), in: Politique internationale 16 (Sommer 1982), S.108.
    [5] http://web.de/magazine/politik/juergen-todenhoefer-islamischen-staat-is-500-millionen-menschen-toeten-30291064
    [6] Sei es die völlig Entvölkerung der einst städtereichen Gebiete Zentral-Anatoliens, der millionenfache Raub von Kindern, um dies zu Janitscharen zu erziehen, über Jahrzehnte praktizierte Bevölkerungspolitik, um christliche Gebiete in muslimische Gebiete demografisch zu verwandeln oder die zahlreichen Städte, die von islamischen Herrführern vor die Wahl „Konversion, Flucht und Tod“ gestellt wurden. Mehr dazu in Bat Ye´or, Der Niedergang des orientalischen Christentums unter dem Islam 7-20. Jh. 2002, Gräfelfing.

  5. also deine Argumente zusammengefasst
    * du hast ein „unangenehmes Gefühl“ (zum Glück bemerkst du noch selbst dass das kein Grund ist jemandem anders Kleidung zu verbieten)
    * du fühlst dich beleidigt weil jemand von dir nicht angesehen werden will
    * du hast ein Problem mit der religiösen Einstellung der Leute

    Da brauch‘ ich keine Gegenargumente zu suchen. Du hast ja auch überhaupt keine Argumente für ein Verbot geliefert.

    • in deiner zusammenfassung nicht. in meinem text schon. verfügst du auch über einen klarnamen oder argumentierst du vollverschleiert?

      • Mein Klarname (Frank Steiner) tut halt nichts zur Sache, wird von hunderten verwendet und ist anonymer als mein Pseudonym unter dem ziemlich genau eine Person in diesem Internetz-Ding Sachen schreibt.

        Nein, in deiner vollständigen Formulierung sehe ich auch keinen besseren Grund um Leuten religiöse Handlungen/Kleidung zu verbieten. Nur Geschmacksurteile deinerseits.

        • Dann für Dich in Kurzform: Ich halte die Burka nicht für ein religiöses Kleidungsstück, sondern für eine politische und grundgesetzfeindliche Manifestation. Der Kommentator „Realist“ hat das übrigens wesentlich fundierter als ich es könnte dargestellt

          • mir ist schon klar wofür du das hältst aber a) ist dein Beleg arg dünn (ähnlich könnte ich behaupten Schlips und Anzug wären Ausdruck unsozialen Verhaltens, immerhin oft von Neocons getragen die den Staat möglichst ganz entmachten wollen, und ein Verbot fordern) dann ist b) „Aussehen als wäre man Verfassungsfeindlich“ nicht illegal (Handlungen ja, aber selbst Äußerungen/Symbole nur in engem Rahmen) und c) halte ich deine Aussage für deutlich besser belegbar Grundgesetz-feindlich (bezüglich Religionsfreiheit u.ä. – was natürlich nicht bedeutet dass ich dir solche Artikel verbieten wollte, für so Verbote haben wir halt deutlich höhere Hürden)

          • a) ist unfug. dein vergleich zeigt dass du in meine aussage etwas anderes hineininterpretierst als ich gesagt habe. b) stimmt. ich finde ja gerade, dass dieser sehr enge rahmen hier ausgedehnt werden sollte. c) ist unfug. weil ich über grenzen der grundgesetzlich garantierten religionsfreiheit nachdenke und dabei abwäge, ob eine ganzkörperverschleierung unter beachtung ihrer politischen aussagen noch unter diesen starken schutz fallen sollte greife ich diesen artikel des grundgesetzes in keiner weise an. wenn du im übrigen das rechtsgutachten des bundestages liest siehst du, dass selbst wenn man den ganzkörperschleier als reine religionsausübung akzeptiert dieser im öffentlichen raum bereits grenzen gesetzt sind.

          • a) natürlich ist das unfug. Das war die Intention meines Vergleiches?
            b) finde ich halt nicht, aber hier werden wir uns offensichtlich nicht einig
            c) du meinst das mit „Ein Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum stellt einen Eingriff in die
            Religionsfreiheit dar, der sich nicht verfassungsrechtlich rechtfertigen lässt“?

            BTW: Du scheinst zu glauben ich wäre generell gegen ein Verbot von religiöser Vollverschleierung. Das trifft so nicht komplett zu. Es existieren durchaus Gründe (z.B. Vermummungs- und Uniformverbot auf Demonstrationen) auf Grund derer ich mindestens für ein teilweises Verbot bin. (wenn nicht sogar für ein generelles Verbot religiöser Symbole bei z.B. Staatsangestellten im Dienst o.ä.) Ich finde nur deine Begründung völlig am Thema vorbei.

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