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Schnell oder gut?

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Da hat der Stadtrat in Dresden nun also das Alkoholverkaufsverbot für Wochenenden nach 22 Uhr abgeschafft. Kein grosses Ding, möchte man meinen. Und dennoch haben sich einige in der Stadt aufgeführt als ob die Welt untergangsbedroht wäre. Und zwar gleich von zwei Seiten.

Die Gefahr von der einen Seite beschwor die konservative Ratshälfte herauf. Nicht unerwartet, hatte sie doch dieses Verkaufsverbot als eines von vielen gängelnden und ordnenden Elementen über die einst anarchische Dresdner Neustadt gegossen in der Hoffnung, den linksalternativen Sumpf auszutrocknen und Bürgerlichkeit einziehen zu lassen. Eine sich erfüllende Hoffnung, aber ohne dass die CDU etwas davon hatte. Wo Linksalternatives gentrifiziert entsteht grünes Wählermilieu, nicht christdemokratisches.

Von der anderen Seite tobten die Neustadtfraktionen, vielleicht auch nur die Neustadtjugendfraktionen von SPD und Grünen. Das Verbot müsse sofort abgeschafft werden, jetzt gleich. Und DIE LINKE sei fürchterlich wortbrüchig wenn sie nun auch noch eine Bürgerbeteiligung fordere. Die Vorwurfsorgie war um so ärgerlicher, weil sie ohne jedes Verständnis für die Gründe unseres Zögerns zelebriert wurde.

Deshalb will ich hier noch einmal versuchen diese Gründe darzulegen. Einleitend: Die Polizeiverordnung, die das Abgabeverbot regelt, wäre ohne jedes Zutun nach Paragraph 16 des Sächsischen Polizeigesetztes im Januar 2017 ausgelaufen. Unser LINKES Kommunalwahlprogramm wäre damit bereits erfüllt.

Allerdings kennen wir alle die legitimatorischen Probleme, die solche Programme haben. So kann, trotz aller ernsthaften Bemühungen, schon die innerparteiliche Willensbildung, die zu solchen Programmen führt, nicht als ausreichend betrachtet werden. Ungleich weniger haben aber unsere Wählerinnen und Wähler zu diesem Programm beigetragen.

Dies mindert nicht die Pflicht, es umzusetzen. Keinesfalls! Aber es zwingt zu kluger und differenzierter herangehensweise. So kann man Punke, die mit großer Wahrscheinlichkeit nicht kontrovers sind oder Punkte, mit denen erwartungsgemäß Mitgliedschaft und Wählende übereinstimmen, ohne weiteres umsetzen. Aber immer dann wenn eine Kontroverse oder auch eine Distanz in der eigenen Anhängerschaft zu erwarten ist muss vor die Umsetzung ein Prozess der Überzeugungsarbeit geschaltet werden. Sozusagen eine nachholende Willensbildung. Grundsätzlich könnte diese nachholende Willensbildung sogar in einer  Aufhebung des jeweiligen Programmpunktes durch den Stadtparteitag führen.

Genau diesen Prozess einer nachholenden Willensbildung mussten wir hier verlangen. Es war und ist nicht zu erwarten  dass unsere Mitglieder, Wählerinnen und Wähler ohne eine weitere Diskussion diesen Programmpunkt akzeptieren.

Die politische Argumentationslage ist dabei keinesfalls schlecht. Die Abschaffung konservativer, gar reaktionärer Symbolismen deren reale Wirksamkeit zudem nicht nachgewiesen ist sollte doch auf Zustimmung treffen. Der Verdacht, unter dem vor allem Grüne stehen, nämlich ihnen nahestehende Spätshopbetreiber zu bevorteilen fällt nicht auf uns. Und ernsthafte Bedenken von in der Neustadt Wohnenden aufzunehmen und mit flankierenden Maßnahmen zu reagieren gereicht uns sicher zur Ehre.

Ein Verzicht auf diese Diskussion hätte wahrscheinlich schlimme Folgen. Wenn Mehrheiten Beschlüsse fassen ohne die hinter ihnen stehenden gesellschaftlichen Kräfte mitzunehmen sind sie den argumentativen Angriffen der politischen Gegner schutzlos ausgeliefert. Diesen Fehler müssen wir vermeiden.

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