Der Finanzausschuss des Dresdner Stadtrates hat die Beschaffung von gigantischen Blumenkübeln und einigen Schranken als Terrorschutzelemente für den Dresdner Striezelmarkt abgelehnt. Allein die Tatsache, dass die rotgrünrote Mehrheit sich dem Chor der Gefahrenrufe (aternativlos, eilig, die Polizei verlangt es, Experten haben sehr lange beraten und SIE wollen jetzt alles besser wissen, wenn etwas passiert haben SIE es zu verantworten) nicht beugte war eine Meldung in allen regionalen Medien wert. Zusätzliches Geraune, vielleicht würde der Striezelmarkt ja abgesagt hat für noch ein paar mehr Erregunswellen gesorgt.
Der Vorgang aus Stadtratssicht
Exakt 7 Tage vor der Finanzausschusssitzung, die am 22. 10. 2018 stattfand, erreichte uns per Mail eine Ergänzung der Tagesordnung mit dieser Vorlage. Wie man sieht war der Beratungsablauf extrem knapp: Vom 16. 10. in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters bis zum gewünschten Beschluss des Finanzausschusses verblieben gerade einmal 6 Tage, und dies auch noch ohne Beteiligung des Fachausschusses. Deshalb vertagte der Finanzausschuss die Entscheidung darüber. Und promt kam eine Einladung zur Sondersitzung am 26. 10.2018, ohne Einhaltung der gesetzlichen Ladungsfrist. Die schriftliche Begründung für diese Eilbedürftigkeit ist als vertraulich (!!) gekennzeichnet, sie besteht aber im Grunde aus zwei Dokumenten: Einerseits einer Verlängerung des Herstellerangebotes und andererseits aus einem Schreiben des Polizeipräsidenten. Auf dieser öffentlichen Sitzung des Ausschusses wurde allerdings vom Ausschussvorsitzenden aus dem „vertraulichen “ Schreiben des Polizeipräsidenten zitiert, das gibt mir den Mut es später hier auch zu tun.
Auf der Finanzausschusssitzung waren nicht anwesend: Der stimmberechtigte Oberbürgermeister, der Bürgermeister für Sicherheit, die Polizei.
Der Ausschuss hat dann mit den Stimmen von LINKEN, Grünen und SPD diese Vorlage abgelehnt.
Warum konnte man dieser Vorlage nicht zustimmen?
In der öffentlichen Diskussion sind einige Gründe genannt worden, die für sich allein vielleicht ausreichen würden, einer solchen Vorlage die Zustimmung zu verweigern. Die Eile, mit der diese Vorlage durchgepeitscht werden sollte müsste einem selbstbewussten Gremium schon reichen, der Preis des Blumenkübelangebotes (13.850 Euro je Kübel zzgl. Mehrwertsteuer) an sich konnte nicht wirksam hinterfragt werden, die Aussage, der Auftrag für diese Blumenkübel sein ohne Ausschreibung „auf Empfehlung der Polizei“ an die ausgewählte Firma gegangen hat selbstverständlich einen ganz eigenartigen Geruch. Dennoch, diese Gründe allein waren für mich nicht die wesentlichsten.
Die Vorlage folgt einer sehr eingeschränkten Logik: Die Stadt Dresden ist Betreiberin des kommunalen Marktes „Striezelmarkt“, in dieser Eigenschaft ist das Amt für Wirtschaftsförderung gehalten, für die Sicherheit auf diesem Markt zu sorgen, dafür gibt es ein Konzept, und nach diesem Konzept müssen wir uns richten. (Das Konzept allerdings, ein „Zufahrtsschutzkonzept“, ist dem Stadtrat nicht bekannt und wurde auch dem Ausschuss nicht vorgelegt.) Die Gefahr wird nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz 2016 im wesentlichen in Anschlägen mit LKW gesehen, gegen diese helfen dann diese Blumenkübel.
Was diese Vorlage aber nicht leistet ist eine Betrachtung der gesamtstädtischen Sicherheit. Nehmen wir einen Moment an, in einem irren Terrorhirn wächst der Plan auf einen Anschlag in Dresden. Und nehmen wir noch dazu einmal an, dieses Terrorhirn legt sich auch noch auf einen Anschlag mit einem LKW fest. Wie viele Möglichkeiten jenseits eines optimal geschützten Striezelmarktes fallen einem da noch ein? Und wären die internationalen Schlagzeilen und die erzeugte Angst wirklich kleiner, wenn die Opfer an einer anderen Stelle als im Innenbereich des Striezelmarktes zu beklagen wären? Nimmt man ein solches Szenario eines in Dresden geplanten LKW-Anschlages tatsächlich als hinreichend realistisch an so folgt einer höheren Sicherheit auf dem Striezelmarkt zwingend eine größere Gefährdung aller anderen Märkte. Aber den einen Platz zu schützen und dadurch die Bürgerinnen und Bürger an anderer Stelle zu gefährden kann ich politisch nicht vertreten. Übrigens: Schon wenn man annimmt, ein Anschlag würde auf dem Striezelmarkt geplant und ein LKW wäre NICHT als Werkzeug vorgesehen verlieren diese Blumenkübelsperren jeden Sinn.
Deswegen kann, wenn man tatsächlich an einen möglichen Anschlag in Dresden glaubt, nur ein Konzept für die gesamte Innenstadt sinnvoll sein. Vermutlich wäre es aber der Sicherheit am dienlichsten wenn sich alle Vertreter*innen der Stadt an die Geheimdienste unseres Landes wenden würden um zu verhindern, dass diese potenzielle Attentäter*innen in unsere Stadt lenken.
Während und nach der Sitzung
Die Ausschusssitzung war aus meiner Perspektive auf einem unterirdischen Niveau. Besonders übel hat sich CDU-Stadtrat Brauns hervorgetan, der mir, nachdem ich die obigen Überlegungen vortrug, mehrfach entgegenbrüllte, das sei „Menschenverachtend“. Solcherart künstliche Empörung macht mich allerdings immer besonders mißtrauisch. Aber das nur am Rande…
Während der Sitzung zitierte der Ausschussvorsitzende aus dem „vertraulichen“ Schreiben der Polizei. Sein Zitat legte nahe, das es eine reale Gefahr gibt und die Polizei daher zur konkreten Gefahrenabwehr aufruft. Ich will aus diesem Grund, ebenso bruchstückhaft, ein anderes Zitate aus dem Schreiben zur Kenntnis geben:
Aktuell liegen den Sicherheitsbehörden keine Erkenntnisse vor, aus denen sich eine konkrete Gefährdung speziell für Weihnachtsmärkte in Deutschland ableiten lässt, allerdings muss mit der Realisierung der abstrakten Gefährdungslage jederzeit gerechnet werden. Die in unterschiedlicher Größe stattfindenden Weihnachtsmärkte begründen aufgrund des zu erwartenden hohen
Besucheraufkommens, der zentralen Lage und offener Zugangsmöglichkeiten eine besondere Bedeutung. Christliche Werte stehen unbestritten im besonderen Fokus von Terroristen.
Allein den letzten Satz dieses Abschnittes sollte man sich immer wieder durchlesen. Welchen konkreten Angriff auf ein speziell christliches Ziel in Europa kennt die sächsische Polizei denn? Und selbst wenn es stimmt: Welche besonderen christlichen Werte sind denn so auf dem Striezelmarkt zu finden?
Die Polizei hat sich mit im Ton markigen und in der Sache komplett inhaltsfreien Aussagen zur Sache Blumenkübel geäussert, und das mit einem Schreiben vom 23. 10. 2018, nach der ersten Vertagung der Vorlage und damit mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Bitten der Stadt.
Halten wir noch einmal fest: Es war kein Vertreter der Polizei zur Sitzung anwesend, es war der zuständige Sicherheitsbürgermeister nicht anwesend, die Polizei empfielt zwar die Anschaffung der Blumenkübel, bleibt aber inhaltlich vage und alle verweisen auf ein ominöses Konzept, welches auch zur zweiten Sitzung den Ratsmitgliedern NICHT vorgelegt wurde.
Unter allen diesen Umständen darf man einer solchen Vorlage keinesfalls zustimmen.