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Ruhiger Tag

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Ich komme mit diesen Kramer-Gedichten kaum voran. Immer stört etwas. Das Kind möchte mitteilen, dass es Käfer gerettet hat vor sicherem Tod. Die Frau hat einen Gedanken, und der will besprochen werden. Von zu Hause kommt eine Nachricht.

Stört niemand und nichts so quäle ich mich doch nur zeilenweise voran, denn so leicht die Sprache Kramers daherkommt so schwer ist es die Schläge auszuhalten die aus den Versen heraus mich und mein leichtes Leben backpfeiffend kommentieren.

Heute haben wir Greifswald besucht. Wir laufen die gleichen Wege wie jedes Jahr, einmal schnell über den zu großen Markt vor dem Rathaus, einmal die Geschäftsstrasse herab bis zum selben Geschäft für Frauenkleidung wie im letzten und vorletzten und vorvorletzten Jahr, drinnen Anprobe und draussen erspielt sich das Kind reichlich Feriengeld. Das ist Premiere, sie ist gelungen. Dann die Geschäftsstrasse wieder hinab und ein Eis auf dem kleinen, schönen, im menschenmaß gehaltenen Platz hinter dem Rathaus, wo sich Volk um den Brunnen und die Bronzefiguren tummelt.

Ich habe eine Jacke erstanden, zu einem Preis dass sie nun mindestens ein Jahrzehnt halten muss.

Ein Abstecher nach Lubmin: Das Kind jauchzt ob der Wellen, die uns der kleine Haffstrand in Mönkebude nicht liefern kann und ich muss mir die Mütze festhalten wenn der Wind sie nicht Richtung Rügen entführen soll.

Der Übergang vom Abend zur Nacht ist spektakulär.


Dem Mann im Mond


Mir scheint, erst jetzt sind wir so richtig arm.
Der alte Ofen wird nie richtig warm
und bald nach Mittag geht das Feuer aus;
Der Vater hockt den ganzen Tag zu Haus.

Erst wann ich ausgeh, krieg ich meine Schuh,
der Stopfstich hält mein Jäckchen nicht mehr zu;
die Gassenbuben spielen nicht mit mir,
ich hab die Murmeln nicht wenn ich verlier.

Wenn es an Bröseln uns gebricht im Haus,
wer sonst als ich borgt sie beim Nachbar aus;
um Brocken muß ich früh zum Fleischer gehn,
die sicher abseits für die Katzen stehn.

O Mutter, glaubst du denn, ich seh es nicht,
weil ich ein Kind bin, wie sich sein Gesicht
verzieht? Gibt sonst es nichts zu tun für mich,
kann ich nicht einmal waschen gehn für dich?

Im Schubfach hab ich einen Mandelkern;
den eß ich nicht. Am Fenster steh ich gern
vor Nacht und rede mit dem fremden Mann
im Mond, weil ich es dir nicht sagen kann.

Theodor Kramer, 6.12.1934

Eine kleine Mole trennt den winzigen Hafen vom winzigen Strand, wir sind einmal bis zur Spitze gelaufen und zurück, das Kind durfte mit einem fremden Hund spielen. Etwas Schokolade noch, der Wein in der Flasche geht zusammen mit diesem ruhigen Tag zur Neige.

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