In unserer Zeitung „Die Linke“ Ausgabe 9/2019 wurde dieser kleine Beitrag von mir auf der Meinungsseite 12 veröffentlicht.
Nach dem katastrophalen Wahlergebnis vom 1. September, bei dem sich unser prozentuales Ergebnis fast halbiert hat, ist eine Diskussion in Gang gekommen die man unmittelbar und öffentlich in Zeitungen und den sozialen Medien verfolgen kann.
Ganz am Anfang stand der Hinweis von Bundesebene, man möge doch mit Rücksicht auf den laufenden Wahlkampf in Thüringen Ruhe bewahren. Schon das hat mich verwundert: Ist es denn ein positives Signal an Thüringer Wähler*innen, wenn unsere Partei derartige Nackenschläge ungerührt hinnimmt? Wäre nicht eine harte klare Reaktion ein besseres Zeichen gewesen?
Weniger verwundert war ich über die Reaktionen der etablierten Genoss*innen auf Landesebene. Sie schauen, so scheint es, suchend umher wo wohl der Fehler gelegen haben könne. Sie vermeiden es dabei allerdings, sich gegenseitig anzuschauen, aber das nur ganz am Rande. Suchen wir das Problem, ist die Devise, suchen wir es lange und ausführlich und am besten so lange dass niemand auf die Idee kommt dass wir selbst das Problem sind.
Mein Lieblingskommentar in einer Facebookdiskussion war: “Wir haben alle gemeinsam Wahlkampf gemacht und alle gemeinsam verloren. Deshalb sind Rücktrittsforderungen nicht richtig!”. So wird Verantwortung über die gesamte Partei gestäubt und rieselt gleichmäßig auf alle nieder, denn natürlich haben die Genoss*innen beim Plakatieren und Material verteilen auch in etwa so viel falsch gemacht wie diejenigen in der Kommandozentrale der Wahlkampagne.
Klaus Bartel, viele Jahre Landtagsabgeordneter aus Chemnitz und am Ende seiner politischen Laufbahn, hat in einem Interview folgendes gesagt:
“Gerade in Personalfragen funktioniert Die Linke seit langem als weithin geschlossenes System, als eine Art Personenkartell. Und genau das hat seinen Preis, nämlich den Verlust an Kompetenz und Profil, aber vor allem den Verlust an so starker Verankerung in der Gesellschaft, dass auch schlechte politische Großwetterlagen überstanden werden.”
Junge Welt, 7. September 2019
Eine Art Personenkartell: Dem Erhalt dieses Kartells dienten die in den vergangenen Jahren ausgerufenen politischen Strategien, mit denen in der trügerischen Vermutung einer ewig sicheren Wähler*innenbasis nur noch innerparteiliche Einflussfragen geklärt wurden. Ist nur mir aufgefallen, dass sich der größte Teil der zeitlichen und finanziellen Ressourcen der Landtagsfraktion nach innen richteten und die Frage WER in Erscheinung trat letztenendes wichtiger war als die Frage WAS gesagt wird?
Sicher, es mögen äußere Faktoren das Wahlergebnis des 1. September extrem negativ beeinflusst haben. Das ist unbestritten. So wie es der Eisberg war, der die Titanic zum Sinken brachte. Aber die offensichtliche Unfähigkeit, die äußere Gefahr frühzeitig wahrzunehmen müssen sich die führenden, also verantwortlichen Kräfte zuschreiben lassen. Der Kapitän der Titanic ist damals ertrunken. Unsere Kapitäne heute haben Landtagsmandate.