Auch an Kleinigkeiten kann sich eine prinzipielle Diskussion entzünden. Und die Fähigkeit, Lösungen zu finden zeigt sich in Vorschlägen, die dann verschiedene Prinzipien unter einen Hut bringen können.
Die Belästigung durch Straßenmusizierende ist, bezogen auf eine Halbmillionenstadt wie Dresden, eine Kleinigkeit. Und sie ist geradezu ideal für eine Diskussion, die getrieben wird durch ganz unterschiedliche Lösungsvorstellungen für Probleme.
Die Geschichte
In der letzten Phase der vergangenen Stadtratswahlperiode, etwa 2014, reagierte die Verwaltung auf die Beschwerden aus der Bevölkerung wegen störender Straßenmusik mit einer rigiden Regelverschärfung. Während Straßenmusik und auch Straßenkunst vorher eine normale Sondernutzung war galt nun plötzlich, ohne Einbeziehung des Stadtrates, das in diesem Merkblatt vorgeschriebene. Der Protest gegen diese kleinlichen und die Künstlerinnen und Künstler stark benachteiligenden Regelungen war enorm. Hier dazu eine Stellungnahme von Jane Ann Igel, einer damaligen LINKE-Landtagskandidatin.
Nach der Kommunalwahl und mit der progressiven Mehrheit im Stadtrat wurde dann die Sondernutzungssatzung geändert. Es galt nun diese Regelung, die in ihrem Paragraphen 12 unter Punkt 4 die Strassenmusik erlaubnisfrei stellt. Dies geschah unter heftigem Protest der Verwaltung, die erklärte, die neuen Regelungen keinesfalls kontrollieren zu können.
Seitdem wird die Ratsmehrheit von einigen Bürgerinnen und Bürgern und vor allem von rechts heftig angegriffen und es scheint bei einigen SPD-Vertretern die Bereitschaft zu wachsen, hier zurückzuweichen.
Meine Interpretation der Lage
Sowohl in der bereits oben erwähnten gültigen Fassung der Sondernutzungssatzung als auch in der Polizeiverordnung der Stadt finden sich Regeln, die für alle gelten, aus meiner Sicht selbstverständlich auch bei einer erlaubnisfreien Sondernutzung. So sagt die Sondernutzungssatzung in Paragraph 8 Absatz 2:
Die öffentliche Ordnung darf durch die Sondernutzung nicht mehr als nach den Umständen unvermeidbar beeinträchtigt werden. …
und die Polizeiverordnung in Paragraph 12 führt aus, dass es verboten ist,
andere durch Lärm, Aufdringlichkeit, trunkenheits- oder rauschbedingtes Verhalten zu belästigen oder zu behindern.
Natürlich sind diese Regelungen nicht scharf abgegrenzt. Ob durch die Art, wie Straßenmusik ausgeübt wird, die öffentliche Ordnung mehr als unvermeidbar beeinträchtigt wird oder ob eine Straßenmusik als belästigender Lärm gewertet werden kann ist natürlich immer eine Ermessensfrage. Aber Ordnungsgelder bis 500 Euro (nach Sondernutzungssatzung) oder bis 1000 Euro (nach der Polizeiverordnung) bieten genug Spielraum, wirklich Störendes zu beenden.
Die Prinzipien
Die Auseinandersetzung um Straßenmusik und ihre Folgen liegt in der Natur der Sache. Straßenkünstlerinnen und Straßenkünstler leben vom Geld, dass sie von den Passantinnen und Passanten zugesteckt bekommen. Sie sind Teil einer urbanen, offenen und kulturell vielfältigen Innenstadt. Aber sie erhöhen auch die Lärmbelastung für die, die dort wohnen und arbeiten. Diese Konfliktsituation zu entschärfen ist die Aufgabe guter Politik, die Regeln aufstellen muss und die für die Akzeptanz dieser Regeln sorgen muss. Querschüsse aus der Stadtverwaltung und Bosheiten des politischen Gegners sind dabei hinderlich, aber am Ende eben keine gültige Ausrede.
Rechts der Mitte hat man, wie so oft, den schwächeren Teil im Konflikt ins Visier genommen und will bürokratische Regeln, Verbote und Vorschriften. Links der Mitte setzte man auf möglichst große Freiheit für die Kultur.
Nun steht man erstaunt oder erbost vor einer Situation, in der einige Wenige die neuen Regeln ärgerlich ausreizen und die Stadtverwaltung die vorhandenen Grenzen nicht durchsetzt.
Ein Lösungsvorschlag
Wir wollen:
- gute Straßenmusik, die wir auch als dort Arbeitende und Wohnende gern hören
- keine Gängelung von Straßenkunst, die diesem Anspruch genügt
- Möglichkeiten, Störung und Belästigung zu unterbinden
Dazu benötigen wir aus meiner Sicht drei Dinge. Zum ersten müssen wir vor der Privilegierung von Straßenkünstlerinnen und Straßenkünstlern mit der Erlaubnisfreiheit sicher sein, dass sie eine für unsere Stadt angemessene künstlerische Qualität haben. Dazu schlage ich vor, dass wir eine Jury aus freiwilligen Bürgerinnen und Bürgern und Sachverständigen in wechselnder Besetzung einsetzen.
Wer von so einer Jury zugelassen ist sollte nach den gegenwärtigen Regeln so frei wie möglich Kunst darbieten können. Wer hingegen nicht vor einer Jury besteht oder wer sich einer Jury nicht stellen möchte sollte meiner Meinung nach ganz normal und gebührenpflichtig eine Sondernutzung beantragen müssen und diese im Einzelfall und mit genauen Beschränkungen wie alle anderen Kleingewerbetreibenden erteilt oder auch untersagt bekommen.
Deswegen brauchen wir als zweites eine Änderung der Sondernutzungssatzung, die die Privilegierung der akzeptierten Künstlerinnen und Künstler sichert und die Bedingungen für die anderen anpasst.
Und drittens benötigen wir, möglicherweise, eine Schärfung der oben zitierte Regeln für Störung und Belästigung, um die immer noch sehr konservativ besetzten Ämter, besonders das Ordnungsamt und das Strassenverkehrsamt an der gegenwärtigen Drückebergerei zu hindern und einer Kontrolltätigkeit im Interesse der Anwohnenden zu bewegen.