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Warum ich Atheist bin

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Bis zu meinem 16. Lebensjahr war ich Zufallsungläubiger. Groß geworden in einer Familie, in der Religiosität nicht stattfand, ausgestattet mit Großeltern, die zwar im Zeitungsständer zwischen der Dresdner Stadtrundschau, der Jungen Welt, der NBI und dem Mosaik auch ein Gemeindeblättchen liegen hatten, mir aber auf mein Interesse daran eingehend erklärten, sie sein da ausgetreten und das sei auch gut so.

In meiner Polytechnischen Oberschule gab es in meiner Schulklasse genau eine mir bekannte Christin. Eine von 20 Klassenkameradinnen und Klassenkameraden, ich war sogar ein wenig verliebt in sie und wir debattierten durchaus darüber ob da nun ein Mann mit Bart auf einer Wolke säße oder auch nicht. Aber sie war die Ausnahme, ich die Regel also verharrte ich, weitgehend, in einem unangefochtenen Unglauben.

Dann aber verschlug mich das Schicksal an die Erweiterte Oberschule nach Radebeul. Ein kurze, intensive und für den Rest meines Lebens sehr prägende Zeit. Wer immer sich über die kümmerlichen Reste von Bürgerlichkeit am Dresdner Elbhang und deren beherzten Griff zur Deutungshoheit über faktisch alles nach dem Ende der DDR Gedanken macht kann gleich nach der Dresdner Stadtgrenze eine komplette Kleinstadt finden, in der all das unvergleichlich dominanter ist.

Dort fand ich mich plötzlich in einer absoluten Minderheitensituation wieder. Das gottlose Arbeiterkind aus Pieschen, hineingeworfen in eine Mehrheit von Kirchgängerinnen und Kirchgängern samt Tischgebet in der Schulspeisung.

Diese Situation hat mir eines abverlangt: Mich meiner selbst zu versichern in all den Diskussionen, denen man in diesem Alter natürlich nicht aus dem Weg geht. Ein Schuldirektor, der sich gegenüber der Partei dafür rechtfertigen musste dass dem Enkel eines katholischen Altbischofs kein gebührender Platz für seinen Beitrag an der Schulwandzeitung eingeräumt wurde, eine Wandzeitungsradaktion für eine ausserordentlich kritische Wandzeitung, die vom Staatsbürgerkundelehrer aus den wenigen Nichtchristen zusammengestellt wurde. Und, als Krönung der Ambivalenz eben dieser Staatsbürgerkundelehrer, der schwul war, aber als Genosse in der SED keinen Platz mit dieser Orientierung fand und deshalb zu einer Gruppe anderer Schwuler unter dem Dach der Kirche fand. Natürlich als Atheist.

Ich bin meinen Mitschülerinnen und Mitschülern für diese Zeit der spannenden Diskussionen bis heute dankbar, denn sie haben mich begleitet auf dem Weg zu meinem Selbstverständnis. Ich bin Atheist. Dort, in der Auseinandersetzung, habe ich alle Überzeugung gefunden die man dazu benötigt.

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