Vorbemerkung
In den Nachwendejahren, als die Aufgaben der ostdeutschen Städte gigantisch und die Ressourcen gering waren ist ein Geschäftsmodell über uns gekommen, was damals die Lösung wenigstens eines Problemes versprach. Die Instandsetzung und der Betrieb der Fahrgastunterstände und einiger anderer so genannter Stadtmöbel wurden an private Firmen übertragen die die dadurch entstehenden Kosten dann über dort angebrachte Werbung refinanzierten. So natürlich auch in Dresden.
In Verträgen wird dabei alles geregelt, was den Vertragsparteien am Tag der Unterzeichnung wichtig ist. Zum Beispiel: Wie viele Stadtmöbel muss es geben, wie viele darf es geben? wie sollen sie aussehen? Wie viel vom Gewinn aus der Werbung muss die private Firma an die Stadt abgeben? Und vor allem auch: Wie lange läuft so ein Vertrag und was passiert an seinem Ende?
Irrsinnige Ressourcenverschwendung
Der gegenwärtig laufende Vertrag mit der Firma WALL über die Fahrgastunterstände (Es gibt noch einen zweiten mit der Firma Ströer über den Rest der Stadtmöbel, für den das ebenso zutrifft) geht seinem Ende zu. Damit gerät insbesondere eine Regelung ins Blickfeld, die vor vielen Jahren getroffen wurde: Es besteht die Pflicht, bei Vertragsende sämtliche Wartehäuschen komplett zu entfernen. Es kann sein, dass das vor 30 Jahren einmal sinnvoll war. Aber vor dem Hintergrund des vom Stadtrat mit viel aufgeladener Symbolik ausgerufenen Klimanotstandes ist die Vernichtung und Neuerrichtung von über 800 im gesamten Stadtgebiet verteilten kleinen Bauwerken, die in der Regel noch tadellos ihre Pflicht tun, nicht mehr tragbar.
Spitze des Eisberges
Dabei ist dieser Irrsinn nur die Spitze des Eisberges, denn kaum sichtbar für die Öffentlichkeit sind in diesen privaten Betriebsmodellen weitere für die Stadt nachteilige Effekte enthalten. Jetzt gerade wird in den Gremien des Stadtrates über die Neuausschreibung der Außenwerbeverträge beraten, deshalb besteht die Chance auf Besserung.
Übrigens: Ohne den Druck des Stadtrates wäre die Ausschreibung durch den Oberbürgermeister ganz ohne Beteiligung der Gremien vorgenommen worden und wir hätten das Ergebnis ganz am Ende nur noch bestätigen dürfen.
Die Beratung in den Gremien zeigt sehr deutlich, dass viele Ratsmitglieder bei einer Ausschreibung in der von der Verwaltung vorgeschlagenen Form kein gutes Gefühl haben. Deshalb wird der Beschluss darüber wieder und wieder vertagt. Ein Fingerzeig war auch der Beschluss über den Haushalt, bei dem entgegen der eingeplanten Einnahmen von 0 (Null) Euro jährlich 2,5 Millionen Euro aus den Außenwerbekonzessionen vom Stadtrat angesetzt wurden.
Das Bewerberproblem
Die Verwaltung möchte das bisherige Modell weiterführen. Das scheint bequem, denn man muss sich um nichts kümmern und streicht am Ende etwas Geld ein. Allerdings müssen die Verträge neu ausgeschrieben werden. Und, so wird angenommen, es gibt nur noch drei Firmen die in der Lage seien so ein Projekt am Ende auszuführen. Ströer, WALL und eine relativ neue Firma auf dem Markt mit dem Namen RBL. Deswegen, so wird behauptet, müssten die Wartehäuschen vernichtet werden denn sonst würde sich RBL vermutlich nicht beteiligen (die haben eine eigene Wartehäuschenfabrik) und dann könnte die EU schimpfen und sagen der Wettbewerb sei garnicht ernsthaft gewollt.
Zu dieser Frage hat sich das Bundeskartellamt mit einer Sektoruntersuchung geäußert. Kernsatz hier:
Die Sektoruntersuchung hat im Wesentlichen folgende Regelungen in den Verträgen zwischen Kommunen und Außenwerbern als wettbewerblich problematisch identifiziert : …(3) Kopplungen mit Stadtmöblierung…“
Würde die Außenwerbung NICHT vertraglich an Errichtung und Betrieb von Stadtmöblierung gebunden, so die Annahme des Bundeskartellamtes, könnten sich wahrscheinlich mehr Firmen an den Ausschreibungen beteiligen und der Erlös für die Stadt wäre höher.
Das Laufzeitproblem
Gesetzlich ist die Laufzeit von Konzessionen beschränkt. Obergrenze ist die Zeit, in der sich notwendige Investitionen geplant amortisiert haben. Das gilt auch bei der Außenwerbung. Die Investitionssumme sind nun aber die Kosten für die Errichtung der Stadtmöbel. Hier gehen die Schätzungen sehr weit auseinander, die Stadtverwaltung meint aber eine Laufzeit von 15 Jahren vorschlagen zu müssen, weil die Firmen nur so ihre Kosten wieder hereinbekämen.
Allerdings ist der Markt für Werbung, besonders für Außenwerbung, in einem deutlichen Umbruch. Insider sehen eine Vervielfachung der Erlöse durch die Möglichkeit digitaler Werbeflächen voraus. Gleichzeitig sinken die Betriebskosten deutlich, denn bei einem digitalen Werbeträger muss niemand mit Papierrollen und Leimeimer losfahren und Plakate austauschen.
Diese Entwicklung kann nicht genau vorhergesagt werden. Und da nach der Vertrtagsunterzeichnung die Stadtverwaltung (und der Stadtrat sowieso) kaum noch Möglichkeiten der Kontrolle hat liegt eine Benachteiligung der Stadt bei der Verteilung der höheren Einnahmen sehr nahe.
Würden allerdings Errichtung und Betrieb der Stadtmöbel vom Werbegeschäft abgetrennt könnten Werbekonzessionen kleinteiliger und vor allem mit wesentlich kürzeren Laufzeiten vergeben werden. Die Position der Stadt bei der Verteilung der Überschüsse wäre wesentlich besser.
Die Dresdner Verkehrsbetriebe sträuben sich
Die besondere Attraktivität der Fahrgastunterstände für Werbetreibende hat einen einfachen Grund: Die Fahrgäste der DVB laufen gezielt zu den Haltestellen, warten dort und betrachten dabei fast zwangsläufig die umworbenen Angebote. Gleichzeitig kommt kaum jemandem in den Sinn, dass die mit dem Linienbetrieb verbundenen Einrichtungen an den Haltestellen NICHT zur DVB gehören. Was also läge näher, als den Betrieb der Unterstände wieder der DVB zu übertragen und nur noch das Recht zur Werbung auszuschreiben?
Die DVB wollen nicht. Sie haben in einem von beiden Vorständen unterzeichneten Schreiben dargelegt, dass sie die vielen Millionen für Wartehäuschen nicht hätten, ausserdem seien Unterhalt und Reinigung zu schwierig für sie und nicht zuletzt hätten sie keine Ahnung vom Werbegeschäft.
Alle vorgetragenen Gründe erscheinen seltsam vorgeschoben. Die Investitionen werden dadurch sehr gering, dass der jetzige Betreiber WALL den Verkauf seiner Unterstände an die Stadt faktisch zum Schrottpreis zugesichert hat. Und Unterhalt und Reinigung lasssen sich, wie bereits jetzt bei den privaten Betreibern, gut aus dem Werbegeschäft finanzieren und zur Not auch durch Dritte organisieren. Und die Werbung selbst? Hier wird es komisch, denn selbstverständlich hat die DVB bereits Erfahrungen mit Werbung durtch Dritte. So sind die auf den Straßenbahnen und Bussen aufgebrachten großformatigen Werbeaufkleber und die in den Bahnen und Bussen zu sehenden kleinen Werbeträger ja nicht durch die DVB selbst bestückt sondern durch die Firma Ströer. (Aus gut informierten Kreisen hört man jedoch, die Vetragsgestaltung sei auch hier besonders günstig für die Werbefirma und andere Verkehrsagesellschaften erhielten deutlich mehr, aber das kann ich natürlich nicht prüfen.) Das die Dresdner Verkehrsbetriebe AG angesichts eines von 40 auf 60 Millionen Euro gestiegenen Zuschussbedarfes leichtfertig darauf verzichtet, hier einige Millionen Euro zu verdienen ist für mich nicht nachvollziehbar.
Das Berliner Modell
Die Berliner Verkehrsbetriebe machen das anders. Dort gehören die Werbeträger der BVG und ausgeschrieben sind die Werbeerlaubnis und der Unterhalt in getrennten Losen. Die Ergebnisse kann man in den Geschäftsberichten der BVG ungefähr lesen. (Hier: Geschäftsbericht 2019, Seite 52)
Mein Vorschlag
Aus dem hier Ausgeführten und aus den anderen, uns zugeflossenen Informationen heraus habe ich mit meiner Fraktionen eine Grundlinie abgestimmt und einen Vorschlag erarbeitet. Er lautet:
1. Zur Wahrung einer wettbewerbsrechtlich einwandfreien Gestaltung der Außenwerbeverträge werden Errichtung und Unterhalt der Elemente der Stadtmöblierung einerseits und die darauf angebrachte Werbung andererseits zukünftig vollständig voneinander entkoppelt.
2. Der Stadtrat bekennt sich dazu, Errichtung und Unterhalt der Elemente der Stadtmöblierung zukünftig in Regie der Stadt selbst oder einer Gesellschaft der Stadt vorzunehmen. Die auf diesen Stadtmöbeln schaltbare Werbung ist auszuschreiben und dient vorrangig der Finanzierung der Stadtmöblierung.
3. Mit den gegenwärtigen Vertragspartnern sind sofort Verhandlungen über eine kurz gehaltene Vetragsverlängerung herbeizuführen. Im Rahmen dieser Verhandlungen ist anzustreben, die gegenwärtig benutzten Unterstellhäuschen nicht sofort und vollständig zu entfernen.