Tilo-Kieszling.de

Einige Worte zum Frauenfußballantrag der CDU

| Keine Kommentare

Vielleicht wäre es tatsächlich einmal an der Zeit, sportpolitische Grundpositionen zu betrachten, die hinter einzelnen Anträgen und Initiativen im Stadtrat stehen. Aber diese Mühe will ich mir vielleicht später machen und mich heute auf den aktuellen Antrag der CDU zum Frauenfußball in Dresden beschränken.

Der einleitende Satz

„Der Stadtrat bekennt sich zu dem Ziel, den Frauenfußball in unserer Stadt maßgeblich voranzubringen, um perspektivisch (mindestens) eine Frauenfußballmannschaft in den höheren Ligen zu
etablieren.“

CDU-Antrag

Schon dieser Satz ist nicht so einfach zu akzeptieren. Denn welche Ziele sich unsere Stadt im Sport setzt sollte, grundsätzlich, nicht der Zufälligkeit politischer Einzelanträge überlassen sein sondern den zu Grunde liegenden Planungen. Die Fortschreibung der Sportentwicklungsplanung wurde 2019 beschlossen, und zwar als Teil der Sportstrategie. Sie kann hier gelesen werden. Von Frauenfußball ist dort keine Rede, obwohl Dresden mit dem Frauenfußball an sich während der WM 2011 als Austragungsort in Berührung kam.

Nun kann natürlich der Stadtrat auch auf Initiative einer Fraktion hin in diese beschlossenen Planungsdokumente eingreifen, sie verändern oder präzisieren, dies benötigt dann aber eine Begründung.

Nicht im Begründungstext enthalten, aber mündlich argumentiert wurde der Abbau einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung. Diese wäre natürlich ein Grund, in die Planungen einzugreifen, sie müsste dann allerdings in ihrer Spezifik genauer beschrieben werden. Hier wären Gegenüberstellungen interessant, ob beispielsweise die Angebote für fußballinteressierte Mädchen weniger bedarfsdeckend sind als für Jungen. Eine Benachteiligung gegenüber Jungen innerhalb der Sportart Fußball ergibt sich natürlich aus der geringeren Angebotsdichte, müsste dann allerdings in ihren Folgen verglichen werden mit den Folgen der geringeren Angebotsdichte in allen anderen Sportarten.

Aber selbst wenn man dies ausblendet bleibt im einführenden Satz die Unbestimmtheit des Zieles „Maßgeblich voranbringen“ und die den Fußball gegenüber anderen Sportarten ausserordentlich heraushebende Zielstellung „Mannschaften in höheren Ligen etablieren“ bestehen.

Der erste Absatz

Der Oberbürgermeister wird dazu beauftragt, einen „Runden Tisch Frauenfußball“ mit Vertretern des Eigenbetrieb Sportstätten, der SG Dynamo Dresden e.V., des 1. FFC Fortuna Dresden e.V., des SC Borea Dresden e.V. und des Stadtverbands Fußball Dresden e.V. einzurichten. Dieses Gremium soll in einem
ersten Schritt eine Bestands- und Bedarfsanalyse durchführen, welche Erfahrungen der Vereine im Bereich des Mädchen- und Frauenfußballs vorhanden sind, wo die derzeitigen Hauptprobleme liegen und welches Potenzial dieser Sportart in Dresden gesehen wird.

Antrag der CDU

Nun, dies wirft viele Fragen auf. Können wir dem Oberbürgermeister vorschreiben, einen „Runden Tisch Frauenfußball“ mit exakt benannten Mitgliedern und einem ausserordentlich konkreten ersten Schritt“ einzurichten? Warum sind es diese konkreten Mitglieder und warum sieht der Vorschlag der keine Öffnung für weitere interessierte Vereine oder Personen vor? Warum beauftragen wir nicht den Oberbürgermeister mit der Umsetzung der Aufgaben, die hier dem „Runden Tisch“ auferlegt werden sollen? (Immerhin haben wir ja Personal für die Sportentwicklungsplanung)? Wer trägt in einem solchen „Runden Tisch“ die Verantwortung? Wer trägt die kosten eines solchen „Runden Tisches“?

Neben diesen inhaltlichen Fragen steht aber etwas ganz anderes zur Debatte: Nämlich die Aufgabe, die ein Stadtrat überhaupt hat. Dazu hier unsere Gemeindeordnung: „Der Gemeinderat legt die Grundsätze für die Verwaltung der Gemeinde fest und entscheidet über alle Angelegenheiten der Gemeinde, soweit nicht der Bürgermeister kraft Gesetzes zuständig ist oder ihm der Gemeinderat bestimmte Angelegenheiten überträgt.“

Diese Regel bedeutet, dass der Oberbürgermeister nicht der Knecht des Stadtrates ist, sondern eigenständig die vom Rat gesetzten Grundsätze umsetzt. Selbstverständlich ist es opportun, wenn der Rat durch Beschluss den einen oder anderen Hinweis gibt, wie er das tun soll. Aber eine zu detaillierte Vorgabe ist nicht im Sinne der Gemeindeordnung. Der Rat kann nicht an die Stelle des Oberbürgermeisters treten.

Gleichzeitig greift diese Detailliertheit des Beschlussvorschlages in den Bereich ein, der eigentlich durch den Dualismus aus öffentlicher Sportverwaltung und Sportselbstverwaltung geschützt sein sollte: Die Hoheit des Sports über seine eigene Organisationsform.

Der zweite Absatz

Anhand dieser Daten und Einschätzungen soll, federführend durch o.g. Vereine und begleitet durch die Stadtverwaltung, ein gemeinsames Strategie- und Umsetzungskonzept dazu erarbeitet werden, wie es gelingen kann, Dresden perspektivisch (angestrebt ist das Jahr 2030) als Frauenfußballstandort zu etablieren, in dem (mindestens) eine höherklassige Frauenfußballmannschaft spielt. Dieses Konzept soll dem Stadtrat bis zum30.06.2024 zum Beschluss vorgelegt werden.

Antrag der CDU

Dieser Absatz steigert die Übergriffigkeiten des ersten Absatzes noch. Kurzgefasst lautet er: „Der Stadtrat will eine Erstligamannschaft im Frauenfußball, und ihr sagt uns bitte was ihr dazu braucht.“ Sicher, in Zeiten in denen sich Superreiche eine Fußballmannschaft aus dem Nichts aufbauen können, könnte auch die Geltungssucht einer Ratsfraktion eine Mehrheit finden und dann kann eine Kommune entsprechende Ressourcen einsetzen. Dies aber würde die bisherige Sportpolitik des Rates auf den Kopf stellen, die sich bisher darauf konzentrierte, die selbständige Entwicklung des Sports dort zu unterstützen wo Hindernisse auftauchten.

Ein derart formuliertes Entwicklungsziel zu Gunsten einer einzigen Sportart lässt sich nicht mehr aus der Beseitigung von Benachteiligungen für Mädchen erklären, auch nicht aus allgemeinen sportpolitischen Zielsetzungen der Stadt und gleich garnicht aus den methodisch sauberen Befragungen und Erhebungen von Bedarfen im Rahmen der Sportentwicklungsplanung.

Und zu allerletzt verletzt der Absatz auch noch die Verfahrensregeln des Stadtrates, in denen genau geklärt ist wer eine Vorlage oder einen Antrag in die Ratsdiskussion einbringen kann.

Der dritte Absatz

Der „Runde Tisch Frauenfußball“ soll Startpunkt für eine langfristig ausgerichtete und
manifeste Partnerschaft zwischen den o.g. Fußballakteuren sein sowie die Einrichtung
professioneller, vereinsgetragener Strukturen für den Frauenfußball begleiten und unterstützen. Inhaltliches Ziel dieser Kooperation soll ein gemeinschaftlich ausgerichtetes
und aufeinander aufbauendes sportliches Herangehen in Form einer Leistungspyramide
mit breitensportlichen und leistungssportlichen Elementen sein. Die Schwerpunkte sollen dabei auf folgenden Punkten liegen: -breitensportliche Mädchen- und Frauenfußballangebote auszubauen und organisatorisch so abzubilden, dass eine möglichst wohnortnahe Erreichbarkeit in allen vier Himmelsrichtungen unserer Stadt gewährleistet wird; -eine koordinierte Talentsichtung ab dem Alter U12/U13 zu ermöglichen und zentralisierte Angebote leistungsorientierter Fördermaßnahmen in darauf spezialisierten Vereinen folgen zu lassen (z.B. Prüfung von DFB-Stützpunkttrainings und Einschulung am
Sportschulzentrum ab Klasse 7, …) ; -eine eigenständige Frauenfußball-Abteilung mit Vorbildcharakter für den weiblichen Fußballnachwuchs bei der SG Dynamo Dresden ab der Altersgruppe U17 zu etablieren.

Antrag der CDU

Hier wird es nun ganz eigenartig. Natürlich kann man sich all diese Dinge vorstellen, aber wenn der CDU schon klar ist was alles getan werden soll: Warum muss es dann ein „Runder Tisch Frauenfußball“ sein, der erst einmal Bestands- und Potentialanalysen erarbeiten soll? Warum müssen die genannten Methoden bereits „Schwerpunkte“ sein?

Gesamteinschätzung

Der Antrag ist zu stark auf das Wünschdirwas-Ergebnis Leistungssport ausgerichtet. Dort, wo er breitensportliche Elemente anspricht bleibt er vage. Er greift in seiner Detailhaftigkeit in die Selbstorganisation des Sports, legt zugleich die Umsetzung kommunalpolitischer Zielstellungen in die Hände eines faktisch ehrenamtlichen Gremiums. Es wird nicht einfach werden, hier mit Änderunsvorschlägen meiner Fraktion eine Verbesserung zu erreichen.

Zusatzinformation

In der Sportdatenbank für Dresden finden sich insgesamt 390 Vereine, schränkt man auf „Fußball männlich“ ein verbleiben noch 81 Vereine, für „Fußball weiblich“ immerhin noch 55 Vereine.

Kommentar verfassen