Auf der 55. Sitzung des Dresdner Stadtrates am 29. September 2023 kam es zu einer Abstimmung in Haushaltsfragen, die durch ein kaum nachvollziehbares Verhalten der CDU-Fraktion zu einem Desaster für Vereine und Verbände im Bereich Jugendhilfe, Sport und Soziales führte. Ich will hier die Vorgeschichte und den Hergang während der Sitzung beleuchten, damit dies nicht in Vergessenheit gerät.
Vorgeschichte
Als Grüne, LINKE, CDU und SPD den Haushalt für die Jahre 2023 und 2024 in der letzten Stadtratssitzung des Jahres 2022 beschlossen, hatten sie in den vorherigen Beratungen alle Bedarfsmeldungen aus den Bereichen aufgenommen, in denen Dritte Fördergelder der Stadt erhielten. Darunter natürlich auch für die Sportförderung. Mit dem Haushaltsbeschluss hatten alle vier Fraktionen also das gute Gefühl, das Nötige getan zu haben. (Hier der Link zur Beschlussausfertigung und zu den Anlagen)
Um so böser war dann das Erwachen, als auf einer der ersten Sitzungen des Sportauschusses im Folgejahr in einem Nebensatz bekannt gemacht wurde, dass nicht genug Fördergeld da ist und deshalb gekürzt werden müsse, wahrscheinlich im Kinder- und Jugendsport.
Erste Intervention
Ich habe diese Mitteilung im Ausschuss wahrgenommen, sofort interveniert und kurz danach auch eine Stadtratsanfrage gestellt sowie weitergehende Informationen im Sportausschuss verlangt. Der Vertreter der Grünen Fraktion, der auch die Haushaltsverhandlungen für diese geführt hat, ist mir dabei jeweils zur Seite gesprungen, von den rechten Fraktionen im Stadtrat gab es keinerlei öffentliche Reaktionen.
In dieser Phase konnte man noch davon ausgehen, dass die Verwaltung einen Lösungsvorschlag finden wird und das Problem dieser offensichtlich fehlerhaften Haushaltsplanung aus der Welt schafft. Ich bin mir nicht sicher, ob darüber auch schon frühzeitig im Ausschuss berichtet wurde, aber ungefähr in dieser Zeit wurde wohl von Sportbürgermeister Jan Donhauser (CDU) der Plan der Umwidmung investiver Mittel in den konsumtiven Förderbereich entwickelt. Jan Donhauser ist seit Februar 2023 für den Sportbereich zuständig, hatte also nicht unmittelbar mit der Haushaltsplanung zu tun.
Haushaltssperre
Am 5. Juni verhängte die Leiterin der Finanzverwaltung eine Haushaltssperre, die mit einigen Ausnahmen jeweils 30% der Mittel in den konsumtiven Haushaltspositionen umfasste. Darunter fielen nun auch die Förderetats für Jugendhilfe, Soziales und Sport. So eine Haushaltssperre hat die Folge, dass die vom Stadtrat beschlossenen Mittel nicht mehr vollständig zur Verfügung stehen. Ausgaben, die über 70% des beschlossenen Ansatzes hinausgehen, müssen von den Fachämtern einzeln mit der Stadtkämmerei verhandelt werden und Freigaben beantragt werden. Der Stadtrat erhält über diesen Umgang mit dem von ihm beschlossenen Haushalt in der Regel keine näheren Informationen. Nachdem diese Verhandlungsphase fortgeschritten war gab es Klarheit für die Folgen in den genannten Bereichen. So informierte das Jugendamt auf der Internetseite der Landeshauptstadt über die vorerst gestoppten Vorhaben, der Sportbürgermeister informierte alle Sportvereine mit einem Brief. Wichtig ist hier, dass dieser Brief keinerlei Hinweise darauf enthielt, dass es für die Kürzungsvorhaben andere Gründe als die Haushaltssperre geben könnte.
Parallel dazu scheint der Sportbürgermeister schon einmal die Umwidmung von 1,2 Millionen Euro aus dem Investiven in den konsumtiven Bereich der Sportförderung beantragt zu haben, wobei diese Umwidmung von der Kämmerei abgelehnt wurde. Ich schreibe „scheint“, weil ich die Umstände dieses Antrages und der Ablehnung nicht genau kenne.
Der Antrag der LINKEN Fraktion im Dresdner Stadtrat
Nach dem Brief des Sportbürgermeisters gab es deutliche öffentliche Proteste gegen die Haushaltssperre. Da die Zeit voranschritt und weder aus der Verwaltung heraus noch bei anderen Fraktionen Anzeichen zu erkennen waren, dass der Haushaltssperre in den drei Bereichen Jugend, Soziales und Sport etwas entgegengesetzt würde stellte unsere Fraktion den Aufhebungsantrag am 24. August 2023. Die Form war ein Antrag mit der Forderung auf Behandlung in der übernächsten Stadtratssitzung, der vor einer am selben Tag stattfindenden Sondersitzung des Rates eingereicht wurde. Damit wäre er für die erste Septembersitzung zur Behandlung vorzusehen gewesen.
In der ersten Finanzausschusssitzung, die sich mit dem Antrag befasste, wurde gebeten, ihn einmal zu vertagen bis der Finanzzwischenbericht vorläge. Dieser Bitte sind wir gefolgt. In der zweiten Finanzausschusssitzung wurde der Antrag ohne Veränderung angenommen. Dies kam dadurch zu Stande, dass sich die CDU-Fraktion bei der Abstimmung enthielt. Das war vorher auch so signalisiert worden und hätte eine Freigabe der Mittel im Stadtrat bedeuten können. Bis hierher gab es noch keine Idee oder Ankündigung einer Veränderung unseres Antrages dahin, dass eine zusätzliche Umwidmung von Mitteln im Sportbereich weg von Investitionen hin zu konsumtiven Ausgaben in Betracht käme.
Die Ratssitzung
Die Ratssitzungen sind in Dresden immer Donnerstags, und am Dienstag davor liegen in der Regel die letzten und entscheidenden Fraktionssitzungen. Meine Fraktion ging also bis zum Dienstag vor der Ratssitzung noch davon aus, die CDU stehe zu ihrem Wort. Das Verhalten der anderen Fraktionen war weitgehend vorhersehbar, weil es ebenso im Finanzausschuss anklang: Freie Wähler beantragten bereits im Finanzausschuss die Nichtfreigabe für Soziales und Jugendhilfe, FDP und AfD stimmten gegen eine Freigabe, Grüne, SPD und Dissidenten stimmten unserem Antrag zu.
Die CDU allerdings steuerte bemerkenswerter Weise auf ihrer Fraktionssitzung um. Anstatt der im linken Lager unumstrittenen und für dringend notwendig erachteten Freigabe der Mittel für alle drei Bereiche noch die Umwidmung der investiven Mittel als Zusatz hinzuzufügen legten sie nun einen Ersetzungsantrag vor, in dem nur noch vom Sport die Rede war und der zu allem Überfluss auch noch gemeinsam mit den in Dresden besonders rechtslastigen Freien Wählern gestellt war.
Dieser Antrag selbst wurde uns allerdings erst am Donnerstag morgen zugänglich. Meine Fraktion hat daraufhin, bezogen auf diesen Antrag, zwei Änderungsanträge gestellt die einmal Jugendhilfe und einmal Soziales wieder aufnehmen sollten. Denn das Spiel schien klar: Mit einer Ersetzung wäre die CDU in der Rolle einer großen Retterin des Sports. Und da die linke Seite des Rates einem Antrag, der MEHR für den Sport und NICHTS für Soziales und NICHTS für Jugend in sich verknüpft, nicht zustimmen kann, wäre es eine Heldenrolle mit den Stimmen von Rechts geworden ohne sich zu einem Nein für Jugend und Soziales wenigstens mit einem Handheben zeigen zu müssen. CDU und Freie Wähler haben es im Gegenzug versäumt, die Umwidmung der Mittel so zu beantragen dass diese auch mit einer Freigabe für Jugend und Soziales gemeinsam hätte beschlossen werden können.
Ein Blick auf den Stadtrat
Auf der Linken Seite des Rates gibt es 13 Grüne, 10 Linke, 8 Sozialdemokratische und 4 Dissidentische Stimmen. Gemeinsam also 35 Stimmen. Die anderen genau 35 Stimmen sind auf der rechten Seite zu finden: 13 mal AfD, 11 mal CDU, 5 mal FDP und 5 mal Freie Wähler und dazu der fraktionslose Stadtrat Hannig. Wenn also alle anwesend sind und eine Stadtratsabstimmung inhaltlich so ist dass sich Rechts und Links gegenüberstehen (Anmerkung: das sind allerdings die wenigsten Abstimmungen) dann entscheidet der FDP- Oberbürgermeister mit seiner Stimme. Es bedeutet auch, dass in der Vorbereitung der Sitzung eine Entscheidung, die eine Fraktion für sehr wichtig hält und die im eigenen Lager weitgehend unumstritten ist, mit den Stimmen einer Fraktion aus dem anderen Lager abgesichert werden sollte. Wer einen Vorschlag macht, der von der anderen Seite politisch abgelehnt werden muss, setzt die Mehrheit für diesen Vorschlag aufs Spiel. Auf der rechten Seite des Rates bedeutet ein solches Vorgehen erschwerend, dass man die AfD-Stimmen von vornherein mit einkalkuliert.
Der Abstimmungsgang im Stadtrat
Hier kann man die Dokumente der Sitzung sehen
Neben dem LINKEN Antrag und dem dazu zustimmenden Votum des Finanzausschusses sowie dem Ersetzungsantrag CDU/Freie Wähler lagen noch ein Änderungsantrag der AfD, ein Ersetzungsantrag der SPD sowie Änderungsanträge der SPD vor. Zum Ersetzungsantrag CDU/Freie Wähler lagen, wie schon erwähnt, wiederum Änderungsanträge der LINKEN vor. Die AfD zog ihren Antrag zu Gunsten des CDU/Freie-Wähler-Antrages zurück. Der Oberbürgermeister ließ zuerst abstimmen, ob der weitestgehende Antrag, der der SPD zur Komplettaufhebung der Haushaltssperre eine Mehrheit bekäme. Danach sollte abgestimmt werden, was die Abstimmungsgrundlage für die folgenden Schritte sei: Entweder der Ersetzungsantrag CDU/Freie Wähler oder der Bericht des Finanzausschusses. In beiden Fällen wären dann die darauf bezogenen Änderungsanträge zu votieren. Für den Ausschussbericht gab es also noch den Änderungsantrag der SPD, die auch Mittel für einige Stadtbezirke freigeben lassen wollte. Es gab aber KEINEN Änderungsantrag der CDU, die Umwidmung von Mitteln aus dem investiven in den konsumtiven Bereich vorzunehmen.
Der Antrag der SPD auf Komplettaufhebung der Haushaltssperre wurde abgelehnt, meine Fraktion hatte hier allerdings schon zugestimmt. Nun also die Abstimmung über die weitere Beschlussgrundlage: Keine Stimme aus dem Linken Lager wurde für die Streichung der Freigabe von Soziales und Jugend abgegeben. Damit verbunden allerdings auch keine für die Umwidmung der investiven in konsumtive Mittel. Auf der rechten Seite allerdings gab es sowohl Dusseligkeit eines CDU-Stadtrates, der die Abstimmungsanlage nicht richtig bediente, als auch einen Abweichler, nämlich den fraktionslosen Stadtrat Hannig. Damit war die Frage, ob der Ersetzungsantrag CDU/Freie Wähler jetzt behandelt wird, abgelehnt. Übrig blieb nun nur noch der Ausschussbericht sowie der Änderungsantrag der SPD dazu. Im Ausschussbericht war die Freigabe der Mittel für Jugendhilfe, Soziales UND Sport empfohlen. Das hat die rechte Seite dann geschlossen abgelehnt. Nun aber mit der Stimme des schusseligen CDU-Stadtrates und mit der Stimme des Fraktionslosen Hannig.
Zusammenfassung: Die CDU hat sich statt des sicheren Weges, mit den Stimmen des linken Lagers etwas für Sport, Jugendhilfe und Soziales erreichen zu können für eine Machtprobe Rechts gegen Links entschieden, dabei bewusst auf die Stimmen der AfD gesetzt, diese Machtprobe ungeschickt verloren und am Ende das, was noch zu erreichen war, nämlich eine Freigabe der gesperrten Mittel für den Sport gemeinsam mit Jugendhilfe und Soziales auch noch abgelehnt. Sie hätte mit einer Mehrheit demokratischer Stimmen, ohne AfD, alles erreichen können und hat mit einem skandalösen Schwenk nach Rechts am Ende garnichts erreicht.