Diese Pressemitteilung der Stadt führt also zu internationalen Verwicklungen, und die lokale Presse hat einen schönen Skandal fürs Sommerloch. Das ukrainische Zentrum wird in Zukunft vom Ausländerrat Dresden e. V. betrieben, verkündet die Stadt. Und der Verein Plattform Dresden e. V., der bisher dieses Zentrum betrieb, ist entsprechend traurig.
Die zugehörigen Zeitungsartikel (hier: SZ, hier: DNN, hier: Kommentar DNN) sind ganz eindeutig. Schuld ist das unsensible Sozialamt, wahlweise auch die unsensible Sozialbürgermeisterin Kaufmann (Linke). Und nun muss auch noch die ukrainische Botschaft anrufen, damit dieser schlimme Fehler bereinigt wird. Nach deren Anruf rettet Urlaubsvertreter Donhauser (CDU) die Angelegenheit erst einmal und stoppt das Verfahren. Ein CDU-Vertreter speckert herum, das Sozialamt habe sich nicht an die Vorgaben des Stadtrates gehalten. Möglicherweise, so liest man zwischen den Zeilen, gar böswillig gehandelt.
Gut, dann schauen wir uns die Sache einmal näher an.
Ein schlechter Haushaltsbeschluss
Das erste Problem ist die Beschlussfassung zum Haushalt selbst. Konkret geht es um die Haushaltsbegleitbeschlüsse. Das gesamte Haushaltspaket wurde unter Federführung des Oberbürgermeisters im Hinterzimmer von CDU, Grünen, SPD und FDP/Freie Bürger ausgehandelt. Das Verhandlungsergebnis allerdings wurde dann als Änderungsantrag des Oberbürgermeisters dem Stadtrat vorgelegt.
So, wie es vorgelegt wurde, war dann auch der Beschluss. Und nun mag Herr Lehmann von der CDU über das „Ansinnen des Stadtrates“ spekulieren, wie er will: im Beschlusstext findet sich davon nichts. Im Gegenteil. Der Beschlusstext legt gerade nahe, dass hier eben NICHT zwingend der bisherige Träger gemeint ist. Man kann das sehr genau an den gewählten Formulierungen erkennen.
Denn selbstverständlich ist das Ukrainische Zentrum nicht das einzige Projekt, was durch den Haushaltsbeschluss gesichert wurde. Auch weitere durch den Haushaltsentwurf bedrohte Projekte wurden benannt. Allerdings immer mit dem Namen des Projektes und dem Namen des jeweiligen Trägers. Hier Gegenübergestellt die Nummern 40, 42 und 44 des Begleitbeschlusses:
- Zur Finanzierung des Projekts „Safe Dresden -Straßensozialarbelt für Erwachsene“ der
Suchtzentrum Leipzig gGmbH in den Haushaltsjahren Jahr 2025 und 2026 werden jeweils zusätzliche Mittel In Höhe von 600 TEuro zur Verfügung gestellt.
- Aus den für Beratungsstellen im Bereich der Gesundheit zur Verfügung gestellten zusätzlichen
Mitteln ist das Projekt Gesundheitskiosk Gorbitz des Solidarische Gesundheit e. V. zu fördern
(Fachförderrichtlinie Gesundheitsförderung, Vorlage V0137/24). Dieser Beschluss soll die
Gremienbefassung ersetzen. Bei der Umsetzung sind die förderrechtlichen Voraussetzungen
durch die Verwaltung zu gewährleisten.
- Zur Finanzierung des Ukrainischen Zentrums werden Mittel in Höhe von 100 TEuro jährlich in den Jahren 2025 und 2026 eingestellt. Über die Umsetzung ist dem Stadtrat bis zum 31.05.2025 zu berichten.
Es ist ganz eindeutig: Bei Nummer 44 wird der Träger nicht genannt. Und ich kann nicht davon ausgehen, dass bei so vielen Mitwirkenden hier einfach eine Schlamperei vorliegt. Immerhin haben 4 Fraktionen und der Oberbürgermeister hier hart um jedes Detail gerungen. Wie also kommt Herr Lehmann (CDU) darauf, es handle sich um ein „Ansinnen des Stadtrates“, das Plattform Dresden e. V. in Frage komme und niemand anderes?
Information des Sozialausschusses
In der Sitzung des Sozialausschusses am 06. 05. hat die Bürgermeisterin Frau Dr. Kaufmann informiert, dass ein Interessenbekundungsverfahren für den Betrieb eines Ukrainischen Zentrums gestartet wird. Alle wissen: Bei einem Interessenbekundungsverfahren können sich viele verschiedene Träger melden. Es ist ein Wettbewerb, bei dem das beste Konzept gewinnt. Warum hat Herr Lehmann (CDU) hier geschwiegen? Warum haben die anderen Ratsmitglieder nicht sofort interveniert? Wenn es das „Ansinnen des Rates“ gewesen sei, dass Plattform Dresden e.V. weiterhin Träger bleibt, hätte doch sofort ein Stoppzeichen gesetzt werden müssen. Und es wäre ein Leichtes gewesen, hier korrigierend einzugreifen. Selbst nach der Veröffentlichung des Interessenbekundungsverfahrens wäre es für jedes Ratsmitglied noch möglich gewesen, Bedenken zu äußern, dass der Verein Plattform Dresden e. V. hier benachteiligt gewesen wäre. Der Text war ja nicht geheim, sondern im Amtsblatt öffentlich nachzulesen. Aber erst einmal zuzuschauen, ob der gewinnt, den man gern als Sieger sehen möchte, und sich erst dann zu beschweren, wenn ein anderer gewinnt, ist ein ziemlich mieser Umgang.
Die ukrainische Botschaft ruft an
Hier nun wird es ganz besonders übel: Weil in einem ordentlichen und bis dahin ohne jeden Widerspruch gelaufenen Verfahren nun ein „falscher“ Interessent gewonnen hat, werden Mechanismen aktiviert, die man sich kaum vorstellen kann. So habe ich, aber das ist nur Hörensagen, erfahren, dass sich Prof. Dr. Georg Milbradt (CDU), frisch abgeschaffter „Sonderbeauftragter des Bundes für die Verwaltungsmodernisierung in der Ukraine“ telefonisch in der Stadtverwaltung gemeldet habe. Und natürlich, das konnten wir aus der Zeitung entnehmen, die ukrainische Botschaft. Das der erste Bürgermeister Jan Donhauser (CDU) als Urlaubsvertretung des Oberbürgermeisters hier erst einmal auf die Bremse getreten ist kann man verstehen. Wenn aber in Zukunft in Dresden rechtsstaatliche Verfahren nur noch gelten, wenn ausländische Botschaften und ehemalige Politstars einverstanden sind, wird unsere Stadtverwaltung endgültig zur Lachnummer.
Was kann Herr Lehmann nun tun?
Inzwischen kann ich mir fast alles vorstellen. Das aber die CDU nun, nach Intervention der Ukrainischen Botschaft und weil ihr der Sieger nicht passt, das Geld einem anderen Träger geben will wäre sehr abenteuerlich. Möglich wäre auch, und die Äußerungen von Herrn Lehmann (CDU) in der Zeitung klingen etwas danach, dass nun auf den Sieger des Verfahrens Druck ausgeübt wird. Wenn dieser sich dann ganz oder teilweise zurückzieht hätte man ganz in der Trumpschen Manier etwas erreicht, was einem eigentlich nicht zusteht.
Korrekt allerdings wäre es, die eigenen Fehler einzusehen und zu versuchen, gegenüber dem Verein Plattform Dresden e. V. etwas zur Wiedergutmachung zu tun. Und für die Zukunft daraus zu lernen, dass man auch in der Kommunalpolitik sorgfältig arbeiten muss und es eben nicht reicht, mit Fingern auf andere zu zeigen.